Hochschule Düsseldorf
University of Applied Sciences
Fachbereiche Architektur & Design
Peter Behrens School of Arts

Aktuelles

Peter Behrens School of Arts / Fotografie, Interview
30.04.2024

5 Fragen an...

​​​​​​​​​Liebe Mareike Foecking, vor zehn Jahren hast Du bei uns im Fachbereich Design die Leitung des Lehrgebietes Fotografie übernommen. Du hast als Fotografin selbst die Digitalisierung aktiv miterlebt. Wie hat sich aus Deiner Sicht die Fotografie im letzten Jahrzehnt auch in Bezug auf die Lehre verändert?


Die Fotografie war eine der ersten Branchen, die digitalisiert wurden. Dabei wurde schnell deutlich, dass es nicht nur um eine Erneuerung der Technologie ging, sondern die Veränderungen durch die neue Technologie weitreichend waren. Es änderten sich die Distribution, die Rechtslage, die Honorare, die Produktionsbedingungen, die Bildästhetik, die Auftragslage und viele bisher gut arbeitende Fotograf*innen mussten ihre Studios schließen. Mit den Smartphones, die mehr und mehr zu leistungsstarken Kameras wurden, verstärkte sich dies alles. Die Fotografie demokratisierte sich scheinbar, eigentlich wurde sie aber durch die Anwendungsvorgaben der Geräte und Plattformen egalisiert, die Bilder sahen sich immer ähnlicher und wurden primär für die avisierte Nutzung und vor allem Zustimmung durch „Likes“ produziert.

Als Konsequenz dieser Entwicklungen habe ich das Lehrgebiet an der Hochschule Düsseldorf so aufgestellt, dass wir eine primär inhaltliche Lehre durchführen. Die Studierenden sollen zunächst in der Grundlehre eine komplexe Grundlage über die Bedeutung und mögliche Strategien eines selbst bestimmten Umgangs mit der Fotografie bekommen, die ihnen reflektiertes und konzeptionelles Arbeiten ermöglicht. Wir behandeln ethische, politische, ästhetische und theoretische Fragen, vermitteln die Geschichte der Photographie so wie die unterschiedlichen Genres und eine grundlegende Kenntnis der technologischen Grundlagen der Kameras und der Arbeit im Studio.

In den höheren Semestern ist das Angebot breit gefächert. Meine eigene Lehre konzentriert sich auf konzeptionelle und künstlerische Fotografie, vor allem auch auf die Verknüpfung von Artistic Research als künstlerische Forschungsmethode im Kontext mit einer fotografisch-visuellen Umsetzung der Forschungsergebnisse.

Wichtig ist mir aber auch die Vermittlung der Bedeutung einer eigenen Bildsprache, um so für das photographische Interesse eine starke eigenständige Visualisierung entwickeln zu können. Die anderen Lehrenden haben eigene Schwerpunkte. Die Lehrplanung mache ich zusammen mit Nina Ditscheid und wir versuchen ein möglichst breit gefächertes Angebot zu ermöglichen, welches unsere grundlegende Überzeugung abbildet, dass Fotografie immer eine inhaltliche Reflexion erfordert. Die Lehre umfasst so Auftragsfotografie, analoge Fotografie, die Erarbeitung von Fotobüchern, aber auch Architektur, Portrait oder Überwachungsbilder. Einen neuen Schwerpunkt haben wir aktuell mit einem neuen Lehrenden auf Fragen der Darstellung von Gender durch die Kamera, der Kurs trägt den Titel „Queering the Lens“ und die dortige Reflexion lässt sich immer auch auf Fragen nach kulturellen, politischen oder kolonialen Einflüssen erweitern.

Da die Digitalisierung viele Aufgaben, die Fotograf*innen früher hatten, egalisiert oder aber weniger technisch komplex gemacht hat, ist die Fotografie nun frei und kann alles sein und die Unterscheidung von kommerzieller und künstlerischer Fotografie wird immer fragwürdiger. Eigentlich geht es nun viel stärker darum, welche Fotograf*innen relevante Diskurse zu fotografischen Fragestellungen haben und wie sie dafür eine relevante und zeitgemäße oder erneuernde Visualisierung finden und somit dem schon seit vielen Jahrzehnten und Jahrhunderten währenden Diskurs der Auseinandersetzung mit Bildern etwas Relevantes hinzufügen können.


Mit Deiner Konferenzreihe „PRE_INVENT“ hast Du 2017 einen Diskurs um die sozialen, ethischen und gesellschaftlichen Implikationen und Veränderungen durch die Digitalisierung angestoßen. Aktuell liegt ein forschender Schwerpunkt auf den Anwendungen zur Bildproduktion durch Machine Learning. Kannst Du uns dazu mehr erzählen?


Anfang 2023 wurden plötzlich bildgenerierende KI-Anwendungen als große Sensation in der Presse gefeiert. Es gab in Magazinen Editorials dazu und es wurde bereits – wie schon oft zuvor – das Ende der Fotografie ausgerufen.

Uns hat diese Technologie zunächst natürlich auch fasziniert, vor allem, weil eigentlich Arbeiten aller Fotograf*innen, die wir kennen, nun in Sekundenschnelle simuliert werden konnten, oft verblüffend ähnlich zu Originalmotiven.

Wir wollten dies jedoch nicht gleich in die Lehre involvieren, da wir unsicher waren, wie nachhaltig diese Anwendungen sind.​ Wir organisierten einen Workshop mit Sadrick Schmidt, der bei der Agentur D‘art Design tätig ist und sich bereits intensiv mit Midjourney beschäftigt hatte. Hier interessierte uns die konkrete Anwendung. Bei einer zweiten Veranstaltung organisierten wir einen Workshop mit Dr. Roland Meyer, Dr. Jacob Birken und Sebastian Randerath, die an unterschiedlichen Universitäten arbeitend jeder einen eigenen theoretischen Zugang zu den KI-Bildern hatten. Nach einer Einführung durch Dr. Roland Meyer begann ein intensiver Gedanken- und Positionsaustausch. Das Format eines Workshops erlebten alle beteiligten bei einem so aktuell virulenten Thema als sehr förderlich für den Abgleich und die Erweiterung der eigenen Reflexionen. Timnit Gebru prägte für das, was die sogenannten KIs lieferten, den „Stochastic Parrot“, eine Beschreibung, die sehr genau beschreibt, dass es mehr um eine Wahrscheinlichkeit der Verbindung von Pixeln geht, bei dem Prozess der Bildgenerierung, als wirklich um Intelligenz oder gar Kreativität.

Final konzentrierten wir uns vor allem darauf, den BIAS der Anwendung zu verstehen, indem wir einfach auch sehr viel ausprobierten. In großer Geschwindigkeit kamen immer wieder neue Updates und dann aber erfolgten bereits erste Klagen gegen Firmen wie Midjourney und Chat-GPT, da das, was wir erlebten, nämlich die erschreckende Nähe zu existierenden Bildern, teilweise waren sie fast identisch, auch den Personen auffiel, deren Bilder aus dem Netz gesaugt und mit denen die Firmen trainiert hatten. Letztlich entschieden wir, dieses Projekt erst einmal nicht weiter zu verfolgen, da wir zum einen drängendere Projekte hatten, zum anderen denken, es ist sinnvoll, die Entwicklung abzuwarten.

Aktuell habe ich wieder einmal mit Midjourney herumprobiert und festgestellt, dass es nun deutlich schwieriger ist, Ähnlichkeit zu bekannten Bildern zu erzeugen. Es scheint fast, als folgte der anfänglichen Goldgräberstimmung gerade eine Phase der Vorsicht, zumindest was die Nutzung fremder Bilder betrifft, die als Kreativität der KI ausgegeben wurde.


Studierende des Lehrgebiets Fotografie der Hochschule Düsseldorf nehmen mit zwei Ausstellungen an der düsseldorf photo+ teil. Was wird hier Anfang Mai zu sehen sein?


Wir sind bei düsseldorf photo+ mit zwei Ausstellungen vertreten. Zum einen kooperieren wir mit dem Kurs „Artistic Research“ mit dem Stadtmuseum. Die Studierenden haben sich intensiv mit der Geschichte der Stadt Düsseldorf und den Exponaten im Stadtmuseum beschäftigt und dazu eigene Arbeiten und Positionen entwickelt. Artistic Research stellt dem künstlerischen Prozess der Realisierung einer Arbeit einen intensiven Forschungsprozess voran. In der ausstellenden Gruppe der Studierenden fand dieser Prozess sehr kooperativ und doch individuell in eigenen Projekten statt. Dabei wurde multimedial gearbeitet, auch fotografisch, aber nicht nur, sondern auch filmisch, mit Texten und Audio-Aufnahmen oder mit Archiven und Found-Footage. Die Ausstellung trägt den Titel „Dreams and my Reality 1“.

Ihn einer zweiten Ausstellung mit dem Titel „Dreams and my Reality 2“, zeigen wir Arbeiten Studierender von allen Lehrenden im Lehrgebiet Fotografie der HSD/PBSA. Wir haben ja in unserem Lehrgebiet sowohl hauptamtlich Lehrende, aber auch sehr engagierte und tolle Lehrbeauftragte, die unser Lehrangebot bereichern. Gemeinsam als Team haben wir mit externen Kuratorinnen in einer Jury-Sitzung eine Auswahl an Arbeiten der Studierenden aller Seminare zusammengestellt, die wir nun in Gebäude 4 der Hochschule zeigen werden. Dies sind fotografische Arbeiten unterschiedlichster Genres und diverser Themen. Die Studierenden stellen hier gemeinsam mit den Lehrenden aus. Die Idee dabei ist, dass wir ihnen vielleicht Arbeitserfahrung voraushaben, sie aber zugleich auch zukünftige, sich gerade entwickelnde Kolleg*innen sind. In der Fotografie sind ja auch immer alle Positionen verbunden, die historischen und die gegenwärtigen, denn die Gegenwart des Fotografischen entwickelt sich aus allen bereits vorher erarbeiteten Positionen. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen, ist uns sehr wichtig.

 

Welche Projekte stehen bei Euch im Team als nächstes an?


Wir arbeiten an einem „Oral History“-Forschungsprojekt zu der Geschichte der Fotografie in der Stadt Düsseldorf. Dafür führen wir Interviews mit unterschiedlichen Personen durch, die für die Geschichte der Fotografie in der Stadt Düsseldorf wichtig waren und sind. Besonders interessieren uns Positionen, die nicht unbedingt zu den auf dem Kunstmarkt erfolgreichen Positionen gehören, aber die dennoch einen bedeutenden Beitrag geleistet haben, gerade auch Frauen, die bisher oft zu wenig beachtet blieben. Die Geschichte der Fotografie in der Stadt Düsseldorf ist bisher zu einseitig berichtet worden. Oft wurde primär vor allem auf Bernd und Hilla Becher und deren Schüler*innen geschaut, dabei sind die in Düsseldorf entstandenen fotografischen Arbeiten viel diverser und komplexer, wenn man genauer sucht. Diese Positionen und Entwicklungen wollen wir über Interviews mit den Protagonist*innen herausfinden und sichtbar machen und langfristig auch für externe Forschende verfügbar machen.


Mal was Persönliches, welche Fotografin/welcher Fotograf inspiriert Dich und warum?


Es gibt so viele relevante Positionen, da würde es mir schwerfallen, nur eine herauszugreifen. Generell kann ich aber sagen, dass ich es wunderbar finde, wie viele Positionen aktuell sichtbar werden, die jahrelang unter dem Radar der Aufmerksamkeit liefen. Aktuell begeistert mich das Buch „Photography – A Feminist History“, welches eine feministische Geschichte der Fotografie nachzeichnet und aus den unterschiedlichsten Jahrzehnten, angefangen im 19. Jahrhundert, erfolgreiche und interessante weibliche Fotografinnen und deren Arbeit vorstellt. Sensationell war da für mich im vergangenen Jahr die Wiederentdeckung von Frances Benjamin Johnston, die ich kannte, aber mit der ich mich nun zum ersten Mal intensiv beschäftigt habe. Oder aktuell das Buch „Shining Lights Black Women Photographers in 1980s-’90s Britain“. Es gibt so viele wichtige und interessante Positionen unterschiedlicher Protagonist*innen und Kulturen, die bisher nicht genug beachtet wurden, und die nun durch ein verändertes kulturelles Verständnis über Ausstellungen und Bücher Sichtbarkeit erlangen.

Mareike Foecking



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