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HSD - Peter Behrens School of Arts > 5 Fragen an … Holger Jacobs
Peter Behrens School of Arts / Design, Fachbereich Design, Werkschau
20.02.2024

5 Fragen an … Holger Jacobs

​Die Werkschaugestaltung übernahm in diesem Semester Prof. Holger Jacobs mit einem Gestaltungsteam, dass aus drei Studierenden bestand. Darüber wollen wir mehr wissen.

Du bist seit 13 Jahren Professor am Fachbereich Design für das Fach Typografie. Im Wintersemester warst Du mit einem studentischen Team für die Gestaltung der Winter-Werkschau 2023/24 verantwortlich. Welche Idee steckt dahinter?

Ich habe keine Ahnung. Ideen entstehen meist aus einem linearen Denken von Ursache und Wirkung. Erst kommt die Idee, dann die Umsetzung und schließlich die Wirkung. Ich mag keine Ideen. Mich interessieren Prozesse. Auch die Frage von Bedeutung stellt sich für mich nicht. Schon McLuhan hat den Inhalt einer Botschaft mit einem Stück Fleisch verglichen, das der Einbrecher mitbringt, um den Wachhund unseres Geistes abzulenken. Die Gestaltung der Werkschau sieht mir irgendwie nach Verknüpfungen oder dynamischen Verbindungen aus. Ich weiß sie wurde von einem Code generiert, aber ich weiß nicht, was sich die Studierenden genau dabei gedacht haben oder was andere darin sehen mögen. Meine Tochter würde vielleicht an Spinnennetze denken, weil sie Angst vor Spinnen hat. Die Schrift hat über Jahrhunderte Bedeutungen fixiert, in Aufschriften, Überschriften, Vorschriften, usw. Sobald etwas verschriftlicht oder mit Begriffen belegt ist, verflüchtigt sich das Potential der Interpretation. Es geht mir nicht darum, etwas zu erklären und es dann ‘ablesbar' zu machen, sondern darum, vorgefertigte Erklärungen und bereits zugeschriebene Bedeutungen wieder zu lockern.

Ihr hattet sogar eine Zeichenmaschine, was hatte es damit auf sich?

Es ist eher eine Schriftmaschine. Wobei ich Schrift in einem asemischen Sinne mehr als Spur definieren würde. Nicht unbedingt als semantisch lesbare Zeichenfolge. Die Maschine hat den Boden beschrieben und dort Spuren einer Handlung hinterlassen. Es hat lange gedauert, diese wieder abzuwischen. Unser Hausmeister war nicht so glücklich. In der Typografie bedienen wir uns immer Schriftmaschinen oder benutzen Werkzeuge. Dies mag eine Feder, ein Meißel, eine Schreibmaschine oder ein Laptop sein. Mir geht es darum, Schrift wieder mehr als eine körperliche, gestische Aktion oder als Performance im Zusammenspiel mit solchen Apparaturen sichtbar zu machen. In der Performance ist dann oft nicht klar, wer ‘federführend’ ist, der Mensch oder die Maschine. Beide reagieren aufeinander. Je größer und umständlicher das Schreibgerät, desto offensichtlicher wird dieser Prozess. Es gibt Ähnlichkeiten zum Code in der Funktion unserer Maschine aber das damit generierte Schriftbild ist ein anderes.

Welchen Stellenwert hat Typografie für Dich im Designkontext?

Unser Denken ist von der Schrift geprägt. Flusser spricht vom ’Schriftbewusstsein’. Seitdem es Schrift gibt, bemühen wir uns, die Welt zu beschreiben und einen stetig wachsenden Katalog von Zeichen anzulegen. Heute beziehen sich Zeichen nur noch auf Zeichen. Für mich ist alles Schrift und Schrift ist alles. Typografie im engeren Sinne ist gewissermaßen nur die Mode der Schrift. Sie ändert sich entsprechend aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. In meinem Unterricht verwende ich Typografie als ein Instrument der Untersuchung, um die Strukturen und Texturen zu beobachten, zu analysieren und zu beeinflussen, die unser Verständnis und unsere Wahrnehmung der Welt prägen. Die experimentelle Typografie beschäftigt sich demnach mit der Kunst Fragen zu stellen, weniger mit der Erzeugung von Ergebnissen oder Antworten. Die Methoden sind oft spielerisch und beeinflusst von einem dynamischen Zusammenspiel zwischen Kontrolle und Zufall.

Im Lehrgebiet Typografie arbeite ich im Team mit hochgeschätzten Kolleginnen und Kollegen. Wir ergänzen uns, haben unterschiedliche Schwerpunkte und unsere Perspektiven und Methoden mögen sich unterscheiden oder sogar widersprechen. Ich schätze dies sehr. Für einige Studierende mag es aber auch verwirrend sein. Verwirrung ist gut. Eines ist uns sicherlich gemeinsam: Niemand interessiert sich dafür, Hundefutter, Tiefkühlpizza oder Zahnpasta mit den Mitteln der Typografie zu verkaufen. Wobei dies natürlich durchaus möglich ist. Die Möglichkeiten der Manipulation durch Schrift sind grenzenlos.

Wie wird sich Typografie aus Deiner Sicht in der Zukunft entwickeln?

Zunächst stellt sich die Frage nach der Vergangenheit. Warum wurden zum Beispiel fast alle Schriftformen und Systeme — inklusive des römischen — von Männern entwickelt? (Mir sind nur zwei Ausnahmen bekannt.) Oder welche Potentiale sind mit der Verbreitung des funktionalen phonetischen Systems verloren gegangen und warum hat es sich als so erfolgreich herausgestellt? Wir sehen aktuell eine Entwicklung von der Schrift zum Bild, besser gesagt zu einer erhöhten ’Schriftbildlichkeit’. Die Schrift dient längst nicht mehr nur dazu Texte möglichst gut lesbar zu transportieren. Die Frage der Interpretation von Inhalten durch Schrift wird immer relevanter. Auch wenn der Begriff ‘Authentizität’ nahezu inflationär benutzt wird, wird der Wahrheitsgehalt von Inhalten immer fraglicher. Er verschiebt sich auf die Oberfläche der Schrift. Gleichzeitig verschieben sich menschliche, insbesondere körperliche Ausdrucksformen, Gestik, Mimik usw., in Richtung des Schriftkörpers. Die grenzenlose Vielfalt der typografischen Ausdrucksformen, die wir heute sehen, mag einhergehen mit dem Verschwinden des Menschen (Handysucht, KI, usw.). Ich möchte diese Entwicklung nicht werten. Ich hoffe aber, dass weitere Entwicklungen in der Typografie zumindest weiblicher und non-binärer geprägt sein werden. Hier haben wir einen Nachholbedarf von mehreren Jahrtausenden. Ebenso hoffe ich, dass sich die Schrift mehr zu einem spielerischen und ambivalenten Parallelsystem zur Sprache entwickelt, und weniger als ein erstarrtes Abbild dieser gesehen wird.

Mal was Persönliches – hast Du neben Typografie noch eine andere Leidenschaft?

Ich sitze gerne in meinem Londoner Local Pub und trinke Bier (‘Neck Oil' für diejenigen, die es genau wissen wollen).